Pferde - Gestern


Unsere Rentner & die, die nicht mehr da sind, aber Geschichte geschrieben haben

Satchmo

Auf allerhöchstem Niveau war der Dressursport der neunziger Jahre geprägt vom Duell zwischen Isabell Werth und Anky van Grunsven. Nach den Olympischen Spielen von Sydney im Jahr 2000 schickten die ewigen Rivalinnen ihre Erfolgspferde Gigolo und Bonfire in Rente, und für eine Weile dominierten andere Gesichter die Siegertreppchen der großen Championate. Während Anky van Grunsven erste Runden auf einem vielversprechenden Rappen namens Salinero drehte, präsentierte Isabell Werth 2003 bei der Europameisterschaft in Hickstead einen neuen Hoffnungsträger: Satchmo hieß der damals neunjährige Sao-Paulo-Sohn, der erst im Jahr zuvor begonnen hatte, Turnierluft zu schnuppern.
Zweieinhalbjährig hatte ihn Isabell Werths Entdecker und langjähriger Trainer Dr. Uwe Schulten-Baumer der Hannoveraner Körkommission quasi vor der Nase weggekauft, doch in der Folge erwies sich der kleine braune Hengst als so frech, dass schon bald von Hannes Baumgart, der ihn anritt, die Anfrage kam, ob es nicht besser wäre, ihn zu legen. Danach wurde der Umgang mit Satchmo, den Isabell Werth ihr “Sensibelchen” nennt, zwar leichter, aber der Kampf um die Gunst und das Vertrauen dieses außergewöhnlich elastischen, aber auch außergewöhnlich komplizierten Pferdes war noch lange nicht gewonnen. In Hickstead lieferten Isabell und Satchmo mit 68% das Streichergebnis, und wer damals schon unkte, der brach im Jahr darauf in Häme aus, denn was immer Isabell Werth im Sattel ihres zierlichen Eigenbrötlers anpackte, misslang. 

Die zweite Piaffe war es, die Satchmo in nahezu jedem Grand Prix als Signal zum Steigen deutete, und je weiter die Saison voranrückte, desto teurer schien der sprichwörtliche gute Rat zu werden, bis im Juli 2005 beim Turnier auf dem Bonner Hardtberg mit einer spektakulären Ungehorsamseinlage das endgültige Aus für die erhoffte Teilnahme an der Heim-EM in Hagen a.T.W. kam. Vier Monate später erzielten Isabell Werth und Satchmo im Grand Prix von Stuttgart 79,958% -- Weltrekord.  Was war geschehen? Nachdem die verschiedensten Versuche, Satchmos unbestreitbares Potential mit einer Mischung aus Training und Wellness zur verlässlichen Entfaltung zu bringen, nicht zum Erfolg geführt hatten, fand schließlich der Tierarzt den Schlüssel zu seiner Unberechenbarkeit: Isabell äußerte den Verdacht, mit seinen Augen könnte etwas nicht stimmen, und sie hatte Recht. Schwimmende Partikel in seiner Augeninnenflüssigkeit gaukelten dem Wallach Gespenster vor, wo gar keine waren. Mit einem relativ einfachen Eingriff wurde das Problem beseitigt, und der bisher durch den sprichwörtlichen Teufel im Detail verstellte Weg nach oben war frei. “Ich kenne keinen Menschen, der sich je so mit einem Pferd beschäftigt hat wie Isabell mit Satchmo”, erinnert sich Isabells Mäzenin und gute Seele Madeleine Winter-Schulze. “Immer wieder hat sie mich angerufen, wenn sie etwas neues ausprobiert hat. Einmal hat sie gesagt, wir stellen ihn jetzt mit einem Pony zusammen auf die Weide, das scheint ihm gut zu tun. Die Perfektion, die die beiden jetzt ausstrahlen, hat sie sich wirklich mühsam erarbeitet. Und ihr Glaube an dieses Pferd ist immer unerschütterlich gewesen.” Auch ihr damaliger Trainer Wolfram Wittig erinnert sich an diese Zeit, in der der Rückhalt ihren Teams für Isabell Werth so wichtig und hilfreich war. “Man glaubt gar nicht, auf was für Turnieren wir bisweilen unterwegs gewesen sind, um den Anschluss nicht ganz zu verlieren. Einmal waren wir auf einem 'sogenannten' CDI in Ungarn, das in einer einzigen Schlammwüste stattfand.”
Doch das Vertrauen, das Isabell Werth in Satchmo setzte, hat er genau so wenig je in Frage gestellt wie Madeleine Winter-Schulze – und 2006 erlebte das Team um Isabell Werth dann sein eigenes Sommermärchen: Isabell wurde mit ihren beiden Spitzenpferden ins deutsche WM-Team berufen, entschied sich aber zunächst für einen Start mit dem “Hannes” genannten Fuchswallach Warum nicht FRH. Doch wenige Tage vor dem Beginn der Weltreiterspiele schlug dann Satchmos Stunde. Im Trainingslager vertrat sich “Hannes” in der Box, und Satchmo rückte nach. Schon der Gewinn der Mannschaftsgoldmedaille wurde nicht nur zum Triumph für Deutschland, sondern ganz besonders für Isabell Werth, die sich hier noch Platz drei der Prüfung punktgleich mit Anky van Grunsven teilte. Die großen Freudentränen flossen einen Tag später, als Isabell Werth den Grand Prix Special für sich entschied und damit Weltmeisterin in der “Technik” wurde. Vergessen war das große Zittern, das früher Satchmos Auftritte begleitete. Am langen Zügel konnte die Dressurkönigin in aller Seelenruhe die ausverkaufte Arena betreten und zeigte dann mit ihrem ehemaligen Sorgenkind Dressur, wie sie sein sollte: Gelassen, harmonisch, dynamisch, konzentriert.
“Dieses Pferd hat mich Demut gelehrt”, sagte Isabell Werth damals um eine unbezahlbare Erfahrung reicher, und in der Folge begann es dann von Neuem, das Duell zwischen Isabell Werth und Anky van Grunsven, die sich auch bei der EM in Turin auf dem Siegertreppechen abwechselten und sich 2008 bei den olympischen Reiterspielen in Hongkong erneut gegenseitig herausforderten. “So ein Pferd habe ich nie wieder gehabt, so wie der sich bewegen konnte”, erinnert sich Satchmos Züchter Albert Kampert. “Manche Pferde kommen ja erst in der Arbeit so richtig, aber bei ihm war es schon als Jährling klar, wenn er über die Weide lief. Man glaubt das ja selbst gar nicht, dass man so ein Pferd züchten kann. Wichtig war jetzt nur noch der richtige Reiter, der auch an das Pferd glaubt.” Dass Isabell Werth diese Reiterin war, steht inzwischen in den Geschichtsbüchern des Dressursports. Satchmo genoss von 2011 bis zu seinem Tod am 30.7.2022 seine Rente auf Isabells Anlage in Rheinberg. Lebensdaten 1994 - 2022 Abstammung Sao Paulo x Legat Züchter Albert Kampert

Weihegold

Oldenburger Rappstutevon Don Schufro * Sandro Hit
geboren 2005
Züchterin: Inge Bastian 
Isabell im Mai 2022: Dieses Pferd ist – vielleicht gerade, weil sie nicht den stärksten Starken Trab hat – eine Lehrmeisterin darin, was Dressur wirklich ausmacht. Es geht nicht darum, wer auf den langen Trab-Diagonalen die beste Figur macht. Es geht um Rittigkeit, um Taktsicherheit und äußere wie innere Balance. Damit konnte sie punkten und hat mir so manche Sternstunde meiner Karriere beschert. Unvergessen Rio de Janeiro, wo man während unseres Specials eine Stecknadel hätte fallen hören können. Damals haben wir den großen Valegro geschlagen und dem deutschen Team Olympia-Gold beschert. Und die Einzel-Silbermedaille in der Kür war immer noch so, wie wenn man hinter den Bayern Fußball-Vizemeister wird 🙂 Nach dem Weltcup 2022, wo ich sie in Leipzig unter stehenden Ovationen des Publikums verabschieden konnte, endete Weihegolds sportliche Karriere. Es beginnt ein neues Kapitel im Leben dieser großen Stute, von der ich mich mit Dankbarkeit verabschiede und der ich weiter nur das Beste wünsche!